Daria
In einem meiner Blogbeiträge schrieb ich über das „High Life“ in der deutschen Hauptstadt. Jedoch war Berlin immer besser bekannt für sein „Low Life“. Als ich in dieser Stadt ankam, waren die Mieten günstig und die Lebenshaltungskosten sehr niedrig. Daher konnten viele Menschen das gute Leben genießen, ohne sich zu sehr anzustrengen. Eine davon war Daria, die mich an die Tänzerin Anita Berber erinnerte, aber ohne ihre künstlerischen Qualitäten.
Anita war das böse Mädchen der zwanziger Jahre. Mit ihrer Androgynität und der totalen Nacktheit während ihrer öffentlichen Auftritte durchbrach sie die damaligen Grenzen. Daria hingegen arbeitete in einem Berliner Luxus-Bordell als ich sie traf. Sie war tatsächlich die erste Frau, die ich über Pay-Sex in Berlin kennenlernen durfte. Berlin hat eine Besonderheit in dieser Hinsicht. Die Prostitution bleibt der Öffentlichkeit verborgen, außer rund um die Kurfürstenstraße und Oranienburger Straße. Die Konservativen bevorzugen es so, um den Schein zu wahren und Skandale zu vermeiden. Ich kann ihnen nicht wirklich widersprechen.
Daria wurde mit einem erstaunlichen Körper gesegnet. Nach einer Weile begann ich sie „The Body“ nach dem australischen Model Elle Macpherson zu nennen. Ich dachte, Prostituierte würden nicht küssen, aber sie machte klar, dass es ihr nichts ausmachen würde. Sie gestand mir auch, dass ihr Freund nichts von ihrer außerschulischen Aktivität wusste. Es war ihr kleines Geheimnis. Sie blitzte das mit einer solchen Distanziertheit und Leichtigkeit ab, dass ich fast errötete. Vielleicht finden deshalb manche Menschen diese Frauen nicht unmoralisch, sondern amoralisch.
Es war nichts Neues für mich, dass Mädchen aus dem Gewerbe, den Partnern ihre Tätigkeit verheimlichen. In Amsterdams Rotlichtviertel werden immer wieder kuriose Geschichten geschrieben. Ein Mann mit seinen Freunden beim Schaufensterbummel und plötzlich fällt sein Blick auf seine Verlobte… Spektakel garantiert!
Daria war an der Universität Potsdam eingeschrieben, wo sie Ernährungswissenschaften studierte, aber ihre eigene Ernährung bestand hauptsächlich aus Kokain und das in Hülle und Fülle. Ich erinnere mich tatsächlich an weitere Mädchen, die an der gleichen Universität studierten. Eine die nebenbei als Domina tätig war und eine andere, die nur wegen einer günstigen Krankenversicherung sich immatrikulieren lies. Meine Universität war nicht mit solchen Charakteren wie in Potsdam gesegnet, das ist sicher.
Daria war nicht die zuverlässigste Mitarbeiterin, die die Branche hatte. Wenn es nicht der hauseigene Papagei war, der in ihre Brust gebissen hat, war es ihr gebrochenes Bein, das sie von der Arbeit fernhielt. Wenn sie nicht schon zu spät zur Arbeit kam, dann ging sie auf jeden Fall sehr früh wieder heim. Was ihr aber an Arbeitsethik fehlte, kompensierte sie völlig durch ihre Akrobatik, Hypersexualität und eine schöne Scham. Sie beschwerte sich sogar einmal darüber, dass es sehr frustrierend sei, so oft Geschlechtsverkehr und so selten einen Orgasmus zu haben.
Sie hatte wirklich die emotionale Reife eines Teenagers. Bevor sie die Stadt wegen einer neuen Liebe verließ, gab ich ihr als Geschenk ein Stofftier. Ich zögerte zuerst, da ich mir nicht sicher war, ob ein Plüschtier ein geeignetes Geschenk für eine erwachsene Frau sei. Sie war aber überglücklich – trotz ihres Alters von 33 Jahren. Ihre Liebesgeschichte dauerte natürlich nicht lange und bald war sie wieder in der Stadt und im Job, aber nur kurz. Anscheinend heiratete sie einen Mann, den sie in einer Entzugsklinik kennenlernte. Daria – ich wünsche dir alles Gute. Ich werde dich vermissen!